
Barrierefreie Internetseiten
für Kommunen
Durch die EU-Richtlinie 2016/2102 werden alle Verwaltungen, auch Städte und Gemeinden verpflichtet, die Inhalte ihrer Webseiten Menschen mit Einschränkungen und Behinderungen ebenfalls zugänglich und lesbar zu machen, sprich: barrierefreie Webseiten zu erstellen. Grundsätzlich ist es nicht damit getan, dass sich nur die Agentur darum kümmert, dass die Website barrierefrei aufgebaut ist, auch die Inhalte der Website müssen barrierefrei sein.
Für Bundesbehörden (§ 11 BGG) muss die barrierefreie Gestaltung nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgen, darunter versteht man die Einhaltung der BITV 2.0, die im wesentlichen auf den Kriterien der Web Content Accessibility Guideline (WCAG) in der Version 2.1 beruhen. Welche verbindliche Maßnahmen genau eine barrierefreie Website einer Gemeinde erfüllen muss und bis wann die Umsetzung zu erfolgen hat, regeln die jeweiligen Bundesländer.
~ 1 Mio.
Internetnutzer
sind sehbehindert, blind oder gehörlos
46%
aller Behinderten bemängeln die
Nutzbarkeit von Websites
61
Kriterien die erfüllt
werden müssen
80%
aller behinderten Menschen
nutzen das Internet
Nachfolgend die gesetzlichen Vorgaben für:
Welche Zielgruppen
profitieren von einem barrierefreien Angebot?
Seh- und hörbehinderte Menschen
Menschen mit motorischen Einschränkungen
Menschen, die die deutsche Sprache nicht gut beherrschen
Menschen mit wenig Erfahrung in der Nutzung von Internetseiten
Menschen mit mobilen Endgeräten (Responsive Design)
Suchmaschinen (die die Inhalte besser zusammenhängend erfassen können)
Menschen mit kognitiver Einschränkung
Wann ist eine Seite
barrierefrei?
Damit eine Website den Anforderungen des Landes-Behindertengleichstellungsgesetz an die Barrierefreiheit erfüllt, müssen diese Bedingungen erfüllt sein:
- Es gibt gemäß der BITV 2.0 drei verschiedene Konformitätsstufen (‘A’, ‘AA’ und ‘AAA’), mit denen dokumentiert wird, wie “gut” eine Seite barrierefrei ist. Um einen barrierefreien Internetauftritt anzubieten, müssen mindestens die beiden Konformitätsstufen ‘A’ und ‘AA’ erfüllt sein
- Jede (einzelne) Seite muss die Kriterien ganz erfüllen, man kann nicht erklären, dass nur ein Teil einer Seite konform ist. Das gilt auch für pdf's
- Auf der Startseite der Website sind Erläuterungen über die Inhalte sowie Hinweise zur Bedienung und zu den weiteren Angeboten in leichter sowie in deutscher Gebärdensprache bereitzustellen (Anlage 2 der BITV 2.0)
- Aufeinanderfolgende Seiten, die einen Prozess darstellen (z.B. ein Verwaltungsvorgang, der online beantragt werden kann) müssen durchgängig konform sein
- Einrichtungen von Kommunen, wie Kindergärten, Schulen oder Feuerwehr müssen diese Vorgaben zunächst nicht erfüllen

Inhalte der Website barrierefrei erfassen

Welche Kriterien
müssen erfüllt werden und was ist zu tun?
Wählen Sie zunächst den Grad der Barrierefreiheit aus, den Sie erreichen wollen. Bitte beachten Sie, dass Sie zur Erreichung der höchsten Konformitätsstufe (‘AAA’) die geringeren Konformitätsstufen ebenfalls erfüllen müssen.
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1. Prinzip Wahrnehmbarkeit 19 Kriterien
1.1 Textalternativen für Bilder und Grafiken
A 1.1.1Alternative Inhalte für Nicht-Text-Inhalte
Für alle Bilder und Grafiken müssen sinnvolle Textalternativen angegeben werden, ebenso bei grafische Schaltflächen und sonstigen Objekten. Bei Layoutgrafiken müssen die alt Texte leer sein. Bei Captchas muss eine textbasierte Alternative angeboten werden.
1.2 Alternativen für Audio- und Videoinhalte
A 1.2.1Alternativen für reine aufgezeichnete Audio- und Videoinhalte
Für Audio- und Videodateien sind Abschriften oder gleichwertige Alternativen zur Verfügung zu stellen.
A 1.2.2Untertitel für eingebettete Videodateien
Aufgezeichnete Video-Inhalte benötigen synchrone Untertitel, es sei denn, es handelt sich dabei bereits um einen alternativen Inhalt für einen Text
A 1.2.3Alternativen für eingebettete Audiodateien
Aufgezeichnete Video-Inhalte benötigen beschreibende Textabschriften
AA 1.2.4Untertitel für Live Audiodateien
Live Audio-Inhalte benötigen synchrone Untertitel
AA 1.2.5Audiobeschreibungen für eingebettete Videoinhalt
Zu eingebundenen Videoinhalten werden zusätzlich beschreibenede Audioinhalte zugefügt
1.3 Informationen müssen logisch strukturiert sein
A 1.3.1Logischer Aufbau (Informationen und Beziehungen)
Alle Informationen und Beziehungen, die durch Layout und Präsentation vermittelt werden, sind durch Programme erkennbar oder im Text verfügbar (Überschriten, Aufzählungen, Formulare, Tabellen)
A 1.3.2Bedeutungsvolle Reihenfolge
Nach Abschalten von CSS für Screen-Reader bleibt die logische Reihenfolge der Informationen erhalten
A 1.3.3Mehrere sensorische Merkmale
Auf Bedienhilfen soll mit unterschiedliche Hinweisen oder Hilfestellungen verwiesen werden
AA 1.3.5Zweck der Eingabefelder ist von Software erkennbar
Eine unterstützende Software wie ein Screenreader kann erkennen, wofür ein entsprechendes Eingabefeld genutzt wird (Beispiel: "input type="email"")
1.4 Möglichst einfache Unterscheidbarkeit von Inhalten und Hintergrund
A 1.4.1Benutzung von Farbe
Information darf nicht durch Farbe allein vermittelt werden, bei Links im Fließtext sollte das Kontrastverhältnis mindestens 3:1 betragen
AA 1.4.10Neuaufbau des Inhalts bei sich ändernden Bildschirmgrößen
Der Inhalt kann ohne Informationsverlust mit 320 Pixeln (Breite oder Höhe) angezeigt werden, ohne dass horizontal und vertikal gegescrollt werden muss.
AA 1.4.11Kontrast für Nicht-Texte
Komponenten im Benutzerinterface sowie grafische Objekte müssen mindestens ein Kontrastverhältnis von 3:1 aufweisen
AA 1.4.12Anpassbare Text-Abstände
Wenn die Zeilenhöhe, der Absatzabstand oder der Zeichenabstand (in bestimmten Grenzen) erhöht wird, bleibt der Informationszusammenhang der Seite erhalten
AA 1.4.13Tooltipps dürfen keine Inhalte überdecken
Tooltips und andere erklärende Elemente sind so ausgerichtet, dass damit andere Inhalte nicht verdeckt werden
A 1.4.2Audio-Steuerelemente
Ist die Abspieldauer einr automatisch startenden Audiodatei länger als 3 Sekunden, muss ein Stoppschalter eingebaut werden
A 1.4.3Kontrast (Minimum) der Schriftfarbe
Das Kontrastverhältnis der Schriftfarbe zur Hintergrundfarbe ist mindestens 4,5:1, bei großer Schrift 3:1
AA 1.4.4Textgröße ändern
Die Textgröße (font-size) ist im CSS in % oder em definiert, damit sich der Text flexibel vergrößern lässt
AA 1.4.5Texte müssen skalierbar sein
Für Inhalte wird Text anstelle von Schriftgrafiken eingesetzt, es sei denn, die Inhalte sind skalierbar in der Darstellungsgrösse und lesbar ohne CSS
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2. Prinzip: Bedienbarkeit 13 Kriterien
2.1 Die gesamte Funktionalität muss über die Tastatur bedienbar sein
A 2.1.1Bedienbare Elemente mit der Tastatur
Alle Seitenfunktionalitäten und Seitenelemente, alle Formular-Eingabefelder, Kontrollelemente und Schalter lassen sich mit der Tastatur bedienen
A 2.1.2Die Seiten sind mit der Tastatur bedienbar
Der Benutzer kann jedes Element mit der Tastatur ansteuern und verlassen, kein Element auf der Seite blockiert die Tastatursteuerung
AA 2.1.4Anforderungen an Kurztasten zur Steuerung
Eingesetzte Kurztasten zur Steuerung müssen mindestens aus zwei Tasten bestehen, Kurztasten, die aus einem Buchstaben bestehen, müssen veränderbar sein
2.2 Es muss ausreichend Zeit gegeben werden, um Inhalte zu lesen und verwenden zu können
A 2.2.1Zeitlimitierungen können verlängert werden
Zeitbeschränkungen beim Ausfüllen von Formularen und Texte, die sich nach einer bestimmten Zeit aktualisieren, können verlängert werden
A 2.2.2Pausieren und Beenden von sich verändernden Inhalten
Bewegende, blinkende, scrollende oder sich aktualisierende Informationen, die automatisch beginnen und länger als 5 Sekunden dauern, müssen abschaltbar sein
2.3 Inhalte sind so zu gestalten, dass keine epileptischen Anfälle ausgelöst werden
A 2.3.1Grenzwerte von aufblitzenden Inhalten
Webseiten enthalten nichts, was öfter als dreimal in einem eine Sekunde blitzt, es sei denn, das Aufblitzen liegt unterhalb der "general flash"- oder "red flash"-Schwelle
2.4 Orientierungs- und Navigationshilfen sowie Hilfen zum Auffinden von Inhalten
A 2.4.1Wiederholende Blöcke umgehen
Es werden Sprungmarken zum Umgehen sich wiederholender Informationsblöcke zur Verfügung gestellt
A 2.4.2Seite mit einem Titel versehen
Webseiten haben einen Title-Tag (im Metabereich), der Thema oder Zweck der Seite beschreibt.
A 2.4.3Die Reihenfolge der Links sind logisch
Werden die Inhalte mit der Tabulatortaste bedient, muss die Abfolge der Links und Textblöcke logisch aufgebaut sein
A 2.4.4Der Zweck des Links ergibt sich aus dem Kontext
Linktexte sind aus sich selbst heraus und über den Kontext verständlich
AA 2.4.5Verschiedenen Navigationsmethoden
Es gibt mit der Suche oder der Sitemap eine zusätzliche Methode zur Navigation innerhalb des Auftritts, um Zugang zu Inhalten zu bekommen
AA 2.4.6Anforderungen an Überschriften und Formularfelder
Überschriften in den Seiten und Beschriftungen in Formularen sind vorhanden und sind informativ, gliedern den Inhalt und sind sinngebend
AA 2.4.7Fokus der aktuellen Position ist sichtbar
Elemente mit Fokus werden bei der Ansteuerung mit der Tastatur sichtbar hervorgehoben.
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3. Prinzip: Verständlichkeit 10 Kriterien
3.1 Texte sind lesbar und verständlich zu gestalten
A 3.1.1Sprache der Seite
Jede Webseite hat eine richtige Sprachdeklaration
AA 3.1.2Sprache von bestimmten Teilen
Anderssprachige Textabschnitte sind mit dem lang-Attribut ausgezeichnet, ebenfalls einzelne abweichende Begriffe
3.2 Aufbau und Benutzung der Webseiten müssen vorhersehbar sein
A 3.2.1Eine Fokusänderung darf nicht zu verändertem Inhalt führen
Wenn ein Bestandteil der Seite den Fokus erhält (zum Beispiel durch Drücken der Tab-Taste), darf sich das nicht optisch oder hinsichtlich des Verhaltens auswirken
A 3.2.2Keine unerwartete Aktion bei Eingabe von Inhalten
Wenn ein Benutzer eine Eingabe tätigt, darf nicht automatisch eine Aktion ausgelöst werden, ohne dass dies dem Benutzer vorher angekündigt wurde
AA 3.2.3Konsistente Navigation
Die Navigation ist innerhalb eines Webauftritts gleichbleibend angeordnet und aufgebaut
AA 3.2.4Einheitliche Bezeichnungen
Innerhalb eines Webauftritts werden Elemente mit gleicher Funktionalität einheitlich bezeichnet
3.3 Unterstützende Funktionen für die Eingabe von Formularen bereitzustellen
A 3.3.1Fehlererkennung bei Fehleingaben
Wird ein Eingabefehler automatisch festgestellt, wird das fehlerhafte Element aufgezeigt und der Fehler wird den Nutzerinnen und Nutzern in Textform beschrieben
A 3.3.2Ausfüllhinweise bzw. -anweisungen
Sofern Benutzereingaben erwartet werden, ist eine entsprechende Beschriftung bzw. Hinweise angegeben
AA 3.3.3Korrekturempfehlungen
Korrekturempfehlungen werden angegeben, wenn falsche Benutzereingaben erfolgen.
AA 3.3.4Hinweise bei einzugebenenden Daten mit kritischen Inhalten
Eingaben, die rechtliche oder finanzielle Folgen haben, müssen vor dem Absenden überprüft, geändert, gelöscht oder bestätigt werden können
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4. Prinzip: Robustheit 2 Kriterien
4.1 Kompatibilität mit Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien
A 4.1.1Syntaxanalyse
Die verwendete Markup-Sprache HTML oder XHTML ist standardkonform und fehlerfrei
A 4.1.2Browserkompatibilität
Bei generierten und selbst programmierten Inhalten wird Markup so benutzt, dass es die Barrierefreiheit unterstützt
Im Überblick:
Was müssen Kommunen tun,
um die Anforderungen zu erfüllen?
1. Es sollte mit der betreuenden Agentur geklärt werden, ob sich die eingesetzte Technik so erweitern lässt, dass die Webseite barrierefrei wird bzw. die neuen Anforderungen damit abgedeckt werden können. Websites, die bereits responsive erstellt wurden, bieten eine gute Grundlage dafür.
2. Nicht nur die Technik, auch die Inhalte müssen überarbeitet werden. Die aktuelle Version unseres Content Management System für Kommunen bringt die Voraussetzung dafür mit, dass die Inhalte barrierefrei erfasst und überarbeitet werden können.
3. Nach Abschluss der Umsetzung der Barrierefreiheit kann entweder zur Überprüfung der Konformität eine kostenpflichtige Überprüfung durch eine entsprechende unabhängige Organisation wie Web for all erfolgen oder eine Selbstbewertung durchgeführt werden.
4. Auf die Internetseite gehört eine gut sichtbare Eigenerklärung zur Konformität (Mustererklärung für die Erfüllung der Konformität AA), die beispielsweise im Footer der Website verlinkt sein sollte. In der Erklärung muss der Hinweis auf eine Kontaktmöglichkeit aufgeführt werden. Auf Anfragen, die in Bezug auf die Barrierefreiheit bei der Kommune eingeht, muss diese innerhalb von vier Wochen antworten. Ebenfalls veröffentlicht werden muss ein Hinweis auf das Schlichtungsverfahren nach §16 BGG sowie die Verlinkung der Schlichtungsstelle. Diese Erklärung sollte mindestens einmal jährlich überprüft werden.